(version française cf ci-dessous)
Der UNESCO-Atlas der bedrohten Sprachen stellt in seiner on-line Ausgabe 2009 fest, dass die Hälfte der 6 700 auf der Welt gesprochenen Sprachen vom Aussterben bedroht sind. Zu diesen wird auch die Luxemburger Sprache gezählt, die auf einer Skala von 1-5, unter 1 „unsafe“ (unsicher) eingestuft wird. Es handelt sich um die niedrigste Gefährdungsstufe, auf der sich auch das Färöische, das Weißrussische, aber auch das Alemannische und Bairische befinden, oder besser: befinden sollen.
Da diese Einschätzung für viel Aufmerksamkeit in den Medien gesorgt hat und sogar eine Question parlementaire zu dem Thema gestellt wurde, möchte das Laboratoire de linguistique et de littératures luxembourgeoises der Université du Luxembourg wie folgt Stellung nehmen.
Noch nie haben so viele Menschen Luxemburgisch gesprochen, noch nie haben es so viele als Fremdsprache gelernt, noch nie wurde es so viel geschrieben. 25 Jahre nach dem Inkrafttreten des Sprachengesetzes vom 24. Februar 1984 ist sein Statut als Nationalsprache unumstritten.
Gemäß den UNESCO-Kriterien ist eine Sprache ‚unsicher‘, wenn zwar die meisten Kinder einer Sprachgemeinschaft ihre Sprache lernen, diese Sprache aber auf bestimmte Bereiche eingeschränkt ist (z.B. Familie, Freunde). Ob man will oder nicht: Diese Kriterien treffen auf das Luxemburgische zu, denn die schon immer vorhandene Mehrsprachigkeit führt ja zwangsläufig dazu, dass sich die drei Sprachen die Kommunikationsbereiche aufteilen. Das Luxemburgische kann also (und konnte noch nie) die alleinige Sprache sein. In der Klassifizierung der UNESCO sind also die Eigenschaften der hiesigen Mehrsprachigkeit unverständlicherweise nicht berücksichtigt worden und, mehr noch, als Bedrohungsfaktor umgedeutet worden. Kurioserweise hat der für Luxemburg (und Europa) verantwortlich zeichnende Berichterstatter der UNESCO, Tapani Salminen, in einem 2007 veröffentlichen Beitrag das Luxemburgische noch als ‚sicher‘ eingestuft.[1]
Kann es also in dieser kurzen Zeit zu seinem so starken Rückgang des Luxemburgischen gekommen sein? Wohl kaum. Unabhängig von der Einstufung lohnt es sich, die einzelnen Kriterien, die die UNESCO für die Bestimmung der ‚language vitality‘ zugrunde legt, im Hinblick auf das Luxemburgische genauer zu beleuchten, um den gegenwärtigen Zustand zu erfassen. Wir tun dies auch, um die auf veralteten und nicht immer authentischen Quellen basierenden Daten der UNESCO durch aktuelle Forschungsergebnisse an unserem Institut zu korrigieren.
Die 9 Kriterien der UNESCO
1) Absolute Zahl der Sprecher:
Es kann nicht bestritten werden, dass Luxemburgisch zu den kleinen Sprachen gehört. Allerdings wird die Zahl seiner Sprecher mit 300.000 von der UNESCO stark unterschätzt. Da bei der Volkszählung, die Frage nach Sprachkenntnissen nicht gestellt wird, ist man auf Umfragen angewiesen, um die Sprecherzahl abzuschätzen. Trotz der dieser Methode anhaftenden Ungenauigkeit, stellt die Zahl von 400.000 Luxemburgischsprechern innerhalb der Wohn- und Erwerbsbevölkerung eine eher konservative Schätzung dar.
* Wohnbevölkerung: STATEC 1. Januar 2008; Sprecherquoten BaleineBis
* Erwerbsbevölkerung: IGSS März 2008; Sprecherquoten CEPS[2]
Von diesen haben mehr als 250.000 Luxemburgisch als Muttersprache. Die hohe Zahl der Sprecher, die Luxemburgisch als Zweit- oder Fremdsprache beherrschen, ist ein Indiz dafür, dass es keine bedrohte Sprache ist. Eine Aufgabe zukünftiger Forschung wird herauszufinden sein, wie hoch das tatsächliche Kompetenzniveau der Fremd- und Zweitsprachesprecher ist.
2) Relative Zahl der Sprecher:
Nach BaleineBis[3] sprechen 78% der erwachsenen Wohnbevölkerung luxemburgisch. Da die Luxemburger, genauso wie die meisten Einwohner mehrsprachig sind, ist es möglich in Luxemburg zu leben und zu arbeiten ohne die Nationalsprache zu beherrschen.
3) Weitergabe zwischen den Generationen
BaleineBis belegt auch, dass alle Luxemburger ihre Sprache an ihre Kinder weiter geben. Dies ist z.B. nicht der Fall bei den im Großherzogtum lebenden Portugiesen. Wähend 97% von diesen Portugiesisch als Muttersprache angeben, benutzen nur 83% dieses als Hauptumgangssprache mit ihren Kindern. 10% geben gar an Luxemburgisch an erster Stelle mit ihren Kindern zu reden. (99-100)
4) Sprachpolitik und offizieller Status
Mit dem Gesetz vom 24. Februar 1984 ist Luxemburgisch zur Nationalsprache der Luxemburg erklärt worden. Die sprachenplanerischen Aktivität des Staates und die Maßnahmen zur Förderung der Sprache halten sich jedoch in Grenzen. Als Beispiele aus jüngster Zeit kann man den „congé linguistique“, die Spracheklausel im Gesetzt zur Doppelten Staatsbürgerschaft nennen. Bis heute ist jedoch die symbolisch-identitätsstiftende Wirkung des Sprachengesetzes zu spüren und dies trägt weiterhin zu einer starken positiven Einstellung dem Luxemburgischen gegenüber bei.
5) Sprachdomänen
25 Jahre nach dem Sprachengesetzt wird das Luxemburgische in Domänen gebraucht, die früher dem Deutschen und dem Französischen vorbehalten waren, z. B. formelle Anlässe, öffentliche Reden usw. Auch hat die luxemburgische Literatur- und Medienproduktion stark zugenommen. Als Einschränkung müssen allerdings die Domänen der Schriftsprachlichkeit und auch die offiziellen Schulcurricula genannt werden.
Auch die Nachfrage nach der Luxemburger Sprache auf dem Arbeitsmarkt ist stark gestiegen[4] und in manchen Bereichen, in denen früher die Staatszugehörigkeit eine Zugangsbedingung darstellte, übernimmt die Beherrschung der Nationalsprache – bzw. einer für Luxemburg spezifische Form der Beherrschung der drei „langues usuelles du pays“ (Französich, Deutsch und Luxemburgisch) – diese Funktion. Insgesamt hat also in den letzten 30 Jahren die Verwendung des Luxemburgischen generell zugenommen. Dies geschah jedoch nicht auf Kosten des Französischen und des Deutschen. Zugenommen hat also auch die Mehrsprachigkeit.
6) Neue Medien und neue Domänen
In den Neuen Medien (SMS, E-Mail, Chat, Foren, Internet-Homepages, Gemeinschaftsplattformen wie ‚facebook‘ oder ‚MySpace‘, Kollaborationsprojekte wie Wikipedia‘ u.a.) wird größtenteils Luxemburgisch verwendet. Stärker und nachhaltiger als je zuvor sind diese neuen Domänen durch das Luxemburgische besetzt worden. Gerade im Hinblick auf eine zunehmende Digitalisierung und Informalisierung von Kommunikation in den nächsten Dekaden stellt die Verwendung des Luxemburgischen hier eine vielversprechende Möglichkeit dar, die Zukunft einer kleinen Sprache zu sichern.
7) Die Einstellungen der Sprachgemeinschaft gegenüber der eigenen Sprache
Luxemburgisch ist eine junge Sprache, die sich im Laufe des Nationenbildungsprozess aus dem Gefüge der deutschen Mundarten herausgelöst hat. Dieser in der sprachwissenschaftlichen Literatur seit Kloss[5] beschriebene Ausbauprozess ist auch heute noch nicht abgeschlossen, da verschiedene Domänen dem Luxemburgischen verschlossen bleiben. Wenn auch seltener kommt es immer wieder noch vor, dass Luxemburger ihre Sprache als Dialekt bezeichnen, so z.B. geschehen in der Anmoderation eines Beitrags in den Fernsehnachrichten zum Unesco-Sprachenatlas, in dem von den „Überlebenschancen unseres moselfränkischen Dialektes“ die Rede war.
Dies hängt auch damit zusammen, dass bei manchen der identitätstiftende Charakter hervorgestrichen und über den praktischen kommunikativen Nutzen der Sprache gestellt wird. Dieser ist begrenzt, weil das Luxemburgische eine kleine Sprache ist und z. B. im Luxemburger Bildungswesen die Beherrschung der beiden großen Kultursprachen Deutsch und Französisch – und nicht des Luxemburgischen – über den Schulerfolg entscheidet.
Die Angst um den Rückgang des Luxemburgischen, wie er auch in den Reaktionen auf die UNESCO-Studie zu Tage kommt, beruht darauf, dass der heutige Status an einer Situation gemessen wird, die es in Wirklichkeit nie gegeben hat, besondern was das sprachliche Selbstbewussten anbelangt. Forderungen wie das Luxemburgisch zur EU-Arbeitssprache zu machen, waren in den 1950er Jahren undenkbar und damals waren alle Luxemburger sich einig, das Französische für diplomatische Außenkontakte zu benutzen.
8) Verfügbarkeit von Material für Spracherziehung und Alphabetisierung
Die Menge der Materialien für Sprachunterricht und Sprachstudium nimmt konstant zu. Eine normierte Orthografie ist ausgearbeitet, die in einem normgebenden Wörterbuch (LOD) umgesetzt wird. Erste verlässliche Grammatiken sind erschienen. Lehrbücher des Luxemburgischen werden in großer Zahl in den Sprachkursen eingesetzt. Immer mehr On-line Angebote gestatten es Interessierten, erste Schritte im Luxemburgischen zu unternehmen und weitere Informationen zur Sprache zu erhalten. Spellchecker wie spellchecker.lu und Cortina helfen dabei, Sicherheit im Umgang mit der Orthografie zu bekommen.
Die vorhandenen Materialien zielen vor allem auf erwachsene Lerner. Relativ wenig Material liegt vor für den Primar- und Sekundarbereich. Dies könnte sich jedoch schnell ändern, wenn das Luxemburgische konsequenter in die Curricula der Sprachfächer aufgenommen werden würde.
Luxemburg, den 27. Februar 2009
Fernand Fehlen, Peter Gilles
Laboratoire de linguistique et de littératures luxembourgeoises
[1] Tapani Salminen, Europe and North Asia, in: Encyclopedia of the world’s endangered languages. Edited by Christopher Moseley. London & New York: Routledge, 2007. 211–280. « Several other languages meet the criteria for being safe in that, although there are other languages competing with them for dominance in their areas, they are widely spoken by all generations. Faroese and Luxemburgian, while having relatively low numbers of speakers, are clearly within this group because of their position as the most commonly spoken languages in the respective autonomous and independent states. » (p. 225f.)
[2] Klein, Carlo (2005): L’utilisation des compétences linguistiques sur le marché du travail luxembourgeois : une comparaison entre résidents luxembourgeois, étrangers et frontaliers. In : Population et emploi 9, pp. 1-8.
[3] Fehlen, Fernand (2009) : BaleineBis Une enquête sur un marché linguistique multilingue en profonde mutation – Luxemburgs Sprachenmarkt im Wandel, RED 12.
[4] Pigeron-Piroth, Isabelle et Fehlen, Fernand (2005): Les langues dans les offres d’emploi du Luxemburger Wort 1984-2004. Luxembourg : Université du Luxembourg.
[5] Kloss, Heinz (1952): Die Entwicklung neuer germanischer Kultursprachen von 1800 bis 1950. München.
version française
25 ans après l’entrée en vigueur de la Loi sur le régime des langues au Grand-Duché, la langue luxembourgeoise n’est pas menacée
L’atlas de l’Unesco sur les langues menacées a constaté dans son édition Internet de 2009 que la moitié des 6 700 langues parlées dans le monde risquent de disparaître. Le luxembourgeois en ferait partie et prendrait sur une échelle de 5 points le niveau 1 « unsafe ».
Comme les médias ont manifesté un grand intérêt pour cette classification et qu’une question parlementaire a été posée à ce sujet, le Laboratoire de linguistique et de littératures luxembourgeoises de l’Université du Luxembourg voudrait se prononcer sur la question.
À ce jour, on n’a jamais compté autant de personnes parlant le luxembourgeois, l’apprenant comme langue étrangère ou l’utilisant comme langue écrite. 25 ans après l’entrée en vigueur de la Loi sur le régime des langues du 24 février 1984, son statut de langue nationale est incontesté.
D’après les critères de l’UNECO, une langue est « menacée » si seulement une partie des enfants d’une communauté linguistique l’apprennent, et si elle se limite à certains domaines (p.ex. famille, amis). Qu’on le veuille ou non, ces critères s’appliquent au luxembourgeois, car le multilinguisme traditionnel de la société luxembourgeoise a pour conséquence que les trois langues se partagent les différents domaines de la communication. Aujourd’hui, tout comme dans le passé, le luxembourgeois ne peut pas être la langue unique du Luxembourg. De manière incompréhensible, la classification de l’UNESCO ne prend pas en compte la situation multilingue du Luxembourg. Pire elle traduit en menace ce qui fait son originalité. Curieusement, Tapani Salminen, l’expert pour le Luxembourg (et l’Europe) n’avait pas encore, en 2007, rangé le luxembourgeois parmi les langues menacées.
Est-ce que la langue luxembourgeoise peut avoir reculé autant dans un si bref laps de temps ? Nous en doutons. Indépendamment du classement dans l’une ou l’autre catégorie, il peut être utile de discuter les critères que l’UNESCO utilise pour définir la « language vitality ». Nous le faisons aussi pour corriger les données de l’UNESCO basées en partie sur des sources dépassées par rapport aux résultats issus de recherches actuelles menées dans notre Laboratoire.
Luxemburg, den 27. Februar 2009
Fernand Fehlen, Peter Gilles
Laboratoire de linguistique et de littératures luxembourgeoises
Moien,
Beispill:
Eng Gemeng sicht Personal fir e Gemengeservice a schreift an hirer Annonce, déi Persoun misst franséisch, däitsch an lëtzebuergesch kënnen.
Ech fanne ganz subjektiv an eng Grimmel emotionell eis Sprooch an där Annonce op der leschter Plaz net op der richteger Plaz.
Et géng mech interesséieren, ob et eng gesetzlech Reiefolg gëtt vun „eisen“ dräi Sproochen bei Gemengen- a Staatsdokumenter.
An är Meenung iwwer mäin Hoer an der Zopp wéisst ech natierlech och gär.
Merci
Moien, souwäit ech weess, gëtt et keng gesetzlech Reegelung iwwert d’Reiefolleg vun deenen dräi Sproochen. Interessanterweis ass d’Reiung ‚F – D – L‘ genee déiselwecht wéi am Art. 3 vum Sproochegesetz vun 1984. Wat d’Annoncen ugeet, firwat net esou ‚kéng‘ sinn, d’Lëtzebuergescht op déi éischt Plaz ze setzen?
Peter Gilles
Moien Peter, ech si lo grad ob dese Blog gestouss an ech si frou, e Blog fonnt ze hun deen sech mat der Lëzebuergescher Sproch ob eng seriö Aart a Weis beschäftegt an niewebäi och einfach interessant ze liesen ass.
Ech si frou dass d’Urdeel iwwert eis Sprooch esou positiv ausfällt, och wann ech mer wënschen géing, dass an der Primärschoul an am Lycée déi lëtzebuerger Ortographie wéinstens bëssen géing geléiert gin (also dat wor wéi ech virun 10 Joer ob 7e wor mol net de Fall).
Ech freen mech hei weiderhin ze liesen.
Thorben