Zu Schreibweise und Auswahl der Belege siehe die allgemeine Anmerkung am Ende des Textes.
Wenn von einem schlauen Fuchs die Rede ist, denken wir nicht eigentlich an das scheue Tier mit dem buschigen Schwanz, sondern vielmehr an einen Menschen, der sich durch seine Schläue Vorteile verschafft, der fuusseg ist und womöglich an seiner Fuussemin zu erkennen ist. Und wer einmal von einem Gescheitfuuss oder Geschäftsfuuss übervorteilt wurde, tröstet sich mit der Vorstellung, dass auch der gerissenste Fuchs irgendwann das Nachsehen hat, sich nicht verfuussen kann und für seine Hinterlist bestraft wird. Denn: Di lous Fiiss gin och emol gefangen, oder anders gesagt: E gescheite Fuuss trëtt och emol an d’Fal.
Dass der Fuchs in unserem Sprachgebrauch mit negativen Charaktereigenschaften wie Verschlagenheit, Hinterlist und Heimtücke in Verbindung gebracht wird, hat eine lange Tradition, deren Ursprünge nicht vollständig geklärt sind. Wahrscheinlich beruht sie auf einer irrtümlichen Beobachtung über das Jagdverhalten von Füchsen, die in einer frühchristlichen Naturlehre in griechischer Sprache aus dem 2. Jahrhundert festgehalten wurde, dem Physiologus. Dort heißt es, der Fuchs würde sich tot stellen, um aasfressende Vögel anzulocken, und sobald die Vögel nahe genug seien, schnappe der Fuchs nach ihnen. Es folgt eine heilsgeschichtliche Deutung, in der der Fuchs mit dem Teufel gleichgesetzt wird. Der Physiologus wurde in viele Sprachen übersetzt und war ab dem Mittelalter sehr weit verbreitet, weshalb seine Darstellung des Fuchses als hinterlistiges, durchtriebenes Tier (unabhängig von der christlichen Moralisatio) auf die gesamteuropäische Fabelliteratur wirkte. So spielt das Motiv des Fuchses, der sich tot stellt, um Beutetiere anzulocken, in den großen mittelalterlichen Fuchsepen eine zentrale Rolle – im altfranzösischen Roman de Renard (11./12. Jh.), im mittelniederländischen Van den Vos Reynaerde (13. Jh.), im niederdeutschen Reynke de Vos (1498) – und fand über diesen Strang der Erzähltradition auch Eingang in Johann Christoph Gottscheds Reineke der Fuchs (1752), Johann Wolfgang von Goethes Reineke Fuchs (1794), in Michel Rodanges Renert oder de Fuuß am Frack an a Ma’nsgrëßt (1872) und in Edmond de la Fontaines De Wellefchen an de Fîschen (1894). In allen diesen Fuchsdichtungen fügt der Fuchs den anderen Tieren ein Leid nach dem anderen zu. Dennoch ertappt man sich als Leser dabei, gar noch Sympathie für den Hinterlistigen und sein böses Tun zu empfinden, was freilich der meisterhaften Erzählkunst der Autoren zu verdanken ist und den Fuchsdichtungen eine gattungstheoretische Sonderstellung in der Fabelliteratur einräumt, die per definitionem belehrenden Inhalts ist. Aber auch wenn uns die Streiche des schlauen Fuchses in der Literatur amüsieren, möchten wir im Alltag lieber keine Bekanntschaft mit ihm machen.
Jutta Schumacher
Typ: |
Sprichwort |
Quelle: |
LWB |
Lux. Nennform: |
Di lous Fiiss gin och emol gefangen |
Dt. Nennform: |
Ein gescheiter Fuchs wird auch gefangen |
Bedeutung: |
Auch gerissene Menschen machen einmal einen Fehler |
Varianten: |
LWB s.v. gescheit: E gescheite (dee gescheitste) Fuuss trëtt och emol an d’Fal; s.v. strecken: E gescheite Fuuss streckt de Kapp och emol an d‘Fal |
LWB s.v.
Fuuss: 3) «listiger Mensch» — di lous Fiiss gin och emol gefangen (Nösl.).
lous II (Osten lus(s)): «schlau, gerieben» — Ra. wann een nët staark as, muss een alt lous sin.
gescheit: 1) […] – E gescheite (dee gescheitste) Fuuss trëtt och emol an d’Fal.
Luuss: […] de gréisste Luuss as de Fuuss.
strecken: 4) […] – Ra.: e gescheite Fuuss streckt de Kapp och emol an d’Fal.
Allgemeine Anmerkung:
In der Rubrik Sproch vum Mount des Projekts DoLPh werden luxemburgische Redewendungen allgemeinverständlich in 400-Wort-Artikeln erklärt. Die Schreibweise der Belege richtet sich nach der jeweiligen Orthographie in den Originaltexten und historischen Wörterbüchern, aus denen sie entnommen sind, und ist nicht an die reformierte neue Rechtschreibung angeglichen. Somit wird der sprachhistorischen Ausrichtung des Projekts Rechnung getragen und verhindert, dass vom Sprachgebrauch in älteren Quellen irrtümlich auf die Verwendung im rezenten Luxemburgischen geschlossen wird.
Bei der Fussemin handelt es sich wohl um eine Verballhornung von:
Fiselemin oder Fisemin (Gesichtsausdruck; fr. physionomie).
http://engelmann.uni.lu:8080/portal/WBB2009/WLM/wbgui_py?lemid=MF00461
Am allgemenge Lëtzebuergeschen ass et net ‚gefangen‘ wéi an Däitschland oder lokal och am Nordlëtzebuergeschen, mä ‚gefaangen‘ mat engem laangen ‚aa‘ oder och, ouni d’Endung -‚en‘, einfach ‚gefaang‘.(cf. LWB: Lemma: Gefaangenen)
Merci – dat ass och äis net onbekannt. Wéi an der ‚Allgemeiner Anmerkung‘ ënne steet, gëtt de Phraseologismus aus philologesche Grënn an där Form agefouert, wéi en an der Source steet (an deem Fall LWB) – an dat ass hei effektiv déi Nordéisleker Form.