Fernand Fehlen: BaleineBis
Une enquète sur un marché linguistique multilingue en profonde mutation
Luxemburgs Sprachenmarkt im Wandel

Universität Luxemburg präsentiert Studie über die Sprachensituation in Luxemburg

Über 400 000 Menschen im Großherzogtum sprechen Luxemburgisch. Damit gab es im Großherzogtum noch nie so viele Luxemburgisch-Sprecher wie heute, und noch nie zuvor haben so viele Menschen Luxemburgisch als Fremdsprache gelernt. Auch als Umgangssprache beim Einkauf und in Gaststätten gewinnt das Luxemburgische wieder an Terrain.

Das sind die wichtigsten Ergebnisse der Untersuchung „BaleineBis“, einer empirischen Studie zum Wandel des Luxemburger Sprachenmarktes in der Zeit von 1997 bis 2008. „Allen Sprachpessimisten zum Trotz erlebt die Luxemburger Sprache derzeit eine reale Aufwertung“, so der Autor der Studie, Fernand Fehlen, Dozent in der Forschungseinheit „Identités, Politiques, Sociétés, Espaces“ (IPSE) an der Universität Luxemburg.

Die Luxemburgisch-Sprecher setzen sich zusammen aus Luxemburgern, hier wohnenden Ausländern und Grenzpendlern. Von den über 200 000 hier wohnenden Ausländern geben über die Hälfte (54 Prozent) an, auch Luxemburgisch zu sprechen. Von den Grenzpendlern aus Deutschland sind es 74 Prozent, unter den belgischen Pendlern knapp ein Drittel (29 Prozent) und unter den Franzosen noch 18 Prozent.

„BaleineBis“ ist die Nachfolgestudie zur „Baleine“-Studie über die Sprachensituation in Luxemburg im Jahr 1997. Der Wal („Baleine“) symbolisiert als ein zum Meereslebewesen mutiertes Säugetier die besondere Situation Luxemburgs zwischen verschiedenen Sprachen und Kulturen. Die Baleine-Studie 1997 betrat Neuland, in dem sie das erste Mal die Sprecher der verschiedenen Sprachen in Luxemburg auf einer breiten empirischen Basis zählte. Dies tut auch die Nachfolgestudie „BaleineBis“.

Französisch verliert an Prestige

Die neue Studie basiert auf zwei Umfragen im Jahr 2004 und 2008 und untersucht neben der Bedeutung des Luxemburgischen für die Integration der Ausländer auch die Mehrsprachigkeit. Demnach nimmt unter den Luxemburgern die Zahl derer, die Französisch als Zweitsprache beherrschen, klar zu. Gleichzeitig verliert das Französische an Bedeutung als Prestigesprache. Das Deutsche ist bei den Luxemburgern generell auf dem Rückzug, ebenso wie die italienische Sprache. Der Anteil der Portugiesischsprechenden dagegen steigt. Unter den Ausländern beobachten die Wissenschaftler einen Trend zur Mehrsprachigkeit mit zunehmenden Kompetenzen vor allem in Französisch, Luxemburgisch und Englisch.

Erstmals werden auch die Dialekte des Luxemburgischen und Sprachstereotypen quantitativ erforscht. So geben 86 Prozent der Muttersprachler an, regionale Unterschiede des Luxemburgischen erkennen zu können. Diese Zahl nimmt mit dem Alter ab, steigt jedoch bei den jüngsten Teilnehmern der Studie, den 18-bis-25-Jährigen, wieder an. In den Kantonen Clervaux, Redange, Vianden und Wiltz geben alle Befragten an, dass es einen spezifischen regionalen Tonfall gibt. In den Kantonen Echternach, Remich und Esch-Alzette sind jeweils ca. 80 Prozent dieser Meinung. 20 Prozent der Dialektsprecher erklären, in verschiedenen Situationen ihre regionale Aussprache zu verbergen und sich der allgemeinen Luxemburger Umgangssprache („normaalt Lëtzebuergesch“) zu bedienen.

Deutsche Sprache „altmodisch“ und „hässlich“?

Die Forscher untersuchten auch Sprachattitüden, indem sie nach den einer Sprache zugeschriebenen Eigenschaften fragten. Schönheit, Kultiviertheit, Modernität, Nützlichkeit und Familiarität waren die Eigenschaften, die für das Deutsche, Englische, Französische und Luxemburgische bewertet werden sollten. Französisch wurde von 1044 befragten Luxemburgern als die schönste Sprache angesehen, gefolgt von Luxemburgisch und Englisch. Deutsch schnitt am schlechtesten ab. Mit zunehmender Schulbildung wird Deutsch als „hässlicher“ empfunden. Deutsch wird von den Luxemburgern auch als die altmodischste und unkultivierteste der vier Sprachen angesehen. Noch erstaunlicher, Deutsch soll auch die überflüssigste Sprache sein: Am nützlichsten seien Französisch und Englisch, so die Befragten. Angesichts der Tatsache, dass die meisten Printmedien in deutscher Sprache verfasst sind und Deutsch die Alphabetisierungssprache der Luxemburger ist, stellt diese Einschätzung ein Paradoxon dar, das die Studie aufzulösen versucht.

Die Untersuchung enthält auch ein sprachhistorisches Kapitel, das die Entstehung der Luxemburger Sprache im Kontext des Nationenbildungsprozesses beschreibt. Der Autor greift die von Gilbert Trausch geprägte Formel: „De l’État à la nation“, auf und ergänzt sie: „De l’Etat à la nation … et à la langue.“ Die Luxemburger Sprache hat sich nur langsam, teilweise gegen die nationalen Eliten und als Reaktion auf den deutschen Sprachimperialismus entwickelt. Dies erklärt die enge Verknüpfung von nationaler und sprachlicher Identität, aber auch die negativen Stereotypen, die der deutschen Sprache noch immer anhaften.

Vom Wert der Mehrsprachigkeit überzeugt

Auch wenn der Wissenschaftler in der Luxemburger Bevölkerung eine gewisse Tendenz zur Abschottung vor einer als „Überfremdung“ empfundenen Sprachenvielfalt konstatiert, so sind die meisten Luxemburger seiner Meinung nach jedoch nach wie vor vom Wert und Nutzen der Mehrsprachigkeit für sie selbst und für den Zusammenhalt des Landes überzeugt: „Die schweigende Mehrheit der Luxemburger ist vielsprachig und dankbar, dass ihr kultureller Horizont und ihre Lebenswelt über den rein nationalen Rahmen… hinausgehen“, so Fernand Fehlen. Solange die Wähler die Wirtschaftskrise nicht zu stark spürten, werde diese Mehrheit den protektionistischen Anwandlungen mancher Luxemburgisch-Verteidiger nicht folgen, schlussfolgert der Forscher. 

Die Veröffentlichung ist aus einem FNR-Forschungsprozekt (FNR/02/05/06 „Compétences linguistiques“) hervorgegangen und erscheint – mit der Unterstützung des „Ministère de la Famille et de l’Intégration“ (Commissariat du Gouvernement aux Etrangers) –  in der RED-Reihe (Recherche Etude Documentation) des „SeSoPi Centre Intercommunautaire“ (ISBN978-2-9599806-4-0). 245 Seiten, 57 Tabellen, 60 Grafiken und 2 Karten, 25 €.

 

 

 

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