Das Luxemburgische weist einige Besonderheiten auf, die (meist) wortübergreifend wirken: Die „n“-Regel beschreibt den sehr häufig vorkommenden Wegfall von [n]. Der bestimmte Artikel führt vielfach zu ungewöhnlichen Konsonantenanhäufungen. Konsonanten am Silbenende eines Wortes wandern häufig an den Anfang der darauffolgenden Silbe. Darüber hinaus gibt es weitere phonologische Prozesse wie die Auslautverhärtung, die hier nicht gesondert aufgeführt werden. Die Liste erhebt also keineswegs einen Anspruch auf Vollständigkeit, sondern soll lediglich ausgewählte Erscheinungen illustrieren.
„n“-Regel
Die „n“-Regel besagt: „entferne ein finales /n/ außer vor Vokalen und vor den Konsonanten /h, d, t, ts, n/“.
Vergleiche den Dësch [dən.’dëʃ] (‚der Tisch‘) mit de_ Fësch [də.’fëʃ] (‚der Fisch‘) oder den Af [də.’nɑ:f]* (‚der Affe‘) vs. de_ Kapp [də’kɑp] (‚der Kopf‘).
*Vor Vokal findet zudem Resilbifizierung statt und das auslautende n wird zum Onset der Folgesilbe.
Am Ende von Intonationsphrasen, dem meistens eine Sprechpause folgt, wird die „n“-Regel in der Regel aufgehoben:
Ech fuere_ séier an d’Stad. vs. Ech wëll séier an d’Stad fueren. (Pause) Mee …
(‚Ich fahre schnell in die Stadt.‘) vs. (‚Ich will schnell in die Stadt fahren. (Pause) Aber …‘)
Diese Sandhi-Regel ist blockiert bei einigen einsilbigen Wörtern, die auf /n/ enden (in der Regel mit 2 n geschrieben) wie Enn Juli [æn’ʒuːli] (‚Ende Juli‘) oder Wörtern auf -oun wie Occasioun fonnt ‚Gelegenheit gefunden‘. Eine weitere, aber fakultative Ausnahme betrifft auslautendes -n vor Funktionswörtern, die mit /z/ beginnen. So ist neben hu se ‚haben sie‘ und gi sech ‚werden sich‘ auch hunn se und ginn sech korrekt.
Bestimmter Artikel und Konsonanten-Cluster
Unübliche Konsonantenverbindungen entstehen durch den bestimmten Artikel d‘ (bei femininem und neutralem Genus sowie im Plural) wie in d’Sprooch [dʃpʀo:x] (‚die Sprache‘) oder d’Kricher [‚dkʀi.ɕɐ] (‚die Kriege‘).
So kann es auch zu einer Geminierung von Plosiven kommen:
[d] |
Du mengs d‚Achsen. |
[t] |
Du mengs net d‘Achsen. |
||
[d:] |
Du mengs d’Dachsen. |
[d::] |
Du mengs net d’Dachsen. |
||
[t:] |
Du mengs d’Taxen. |
[t::] |
Du mengs net d’Taxen. |
Du mengs d’Taxen an net d‘Achsen. (‚Du meinst die „Steuern“ und nicht die „Achsen“.‘)
Resilbifizierung
Resilbifizierung von /r/
Silbenfinal wird /r/ (in den meisten Fällen) vokalisiert und [ɐ] ausgesprochen:
mir [mi:ɐ] (‚mir‘), Bur [bu:ɐ] (‚Brunnen‘)
Als Variante kann anstelle von [ɐ] der Frikativ [χ] artikuliert werden:
mir [mi:χ] (‚mir‘), Bur [bu:χ] (‚Brunnen‘)
In mehrsilbigen Wörtern, die auf <-er> enden, ist auch die Kombination von beiden möglich, also ein zusätzliches [χ] nach [ɐ]:
Schwëster [‚ʃwës.tɐχ] (‚Schwester‘) neben Schwëster [‚ʃwës.tɐ]
Folgt dem Wort mit silbenfinalem /r/ ein weiteres Wort, das mit einem Vokal anfängt, so kann das /r/ zur nächsten Silbe wandern:
Mir ass et egal. (‚Mir ist es egal.‘) [mi:.ʀɑ.zët.e:’ga:l].
Resilbifizierung und Lenisierung von Obstruenten (Stimmhaftigkeitsassimilation, Stimmtonsandhi)
Ebenso können Obstruenten resilbifiziert werden, wobei diese resilbifizierten Obstruenten auch lenisiert werden. Diese „Verstimmlichung“ tritt in einigen Lexemen wort-intern auf, wie in mateneen [mɑ.də.’ne:n] (‚zusammen‘).
Genauso findet diese Lenisierung über Wortgrenzen hinweg statt:
eng interessant Iddi [eŋ.in.tə.ʀɛ.’sɑn.‘di.di] (‚eine interessante Idee‘) oder mat engem Auto [mɑ.dæ.ŋëm.’ɑu.to:] (‚mit einem Auto‘).
Diese Regel betrifft alle stimmlosen Obstruenten am Ende des Wortes (sowohl Plosive, als auch Frikative), selbst bei maximalem Offset (= 3 Konsonanten im Auslaut):
aacht [a:xt] (‚acht‘) vs. aachtanzwanzeg [a:.ɣdɑn.’tswɑn.tsəɕ] (‚achtundzwanzig‘)
Uebst [uepst] (‚Obst‘) vs. Uebst a Geméis [ueb.zdɑ.gə.’məis] (‚Obst und Gemüse‘)
NB: In vielen Fällen wird eine klare Silbifizierung schwierig, da aufgrund der Stimmhaftigkeitsassimilation die Auslautverhärtung nicht mehr greift. Die Silbifizierungen dieses Kapitels müssen daher bis auf weitere Klärung als provisorisch bezeichnet werden.