„Geschwë bestued huet oft laang geschued“ sagt ein Luxemburger Sprichwort – gewissermaßen „früh getraut, früh bereut“. Doch woher stammt bestueden eigentlich, und hat es etwas mit dem Stot ‘Haushalt’ zu tun?

In der Tat würde man im ersten Moment vielleicht dazu tendieren, das Verb bestueden zu lb. Stot m. ‘Haushalt’ zu stellen, wonach bestueden ‘in einem Haushalt unterbringen’ bedeuten könnte. Doch der ungleiche Vokalismus zwischen bestueden und Stot spricht gegen einen Zusammenhang der beiden Wörter. Dem Diphthong ue in bestueden kann – rein lautgeschichtlich betrachtet – entweder mhd. kurzes a oder kurzes o in offener Silbe zu Grunde liegen (vgl. lb. Hues ‘Hase’ < mhd. hase; lb. Hues ‘Strumpf’ < mhd. hose ‘Hose; Bekleidung der Beine samt den Füßen’). Der einfache Vokal o in Stot kann dagegen nur von langem a stammen (vgl. lb. Strooss < mhd. strâʒe).

Konzentrieren wir uns zuerst auf das Verb bestueden. Das Luxemburger Wörterbuch (LWB) gibt uns hierzu folgende Auskunft:

{xtypo_sticky}bestueden (phV. cf. Ltb. 7) Verb.: 1) trans. «verheiraten, trauen» — wien huet se bestued? (wer, welcher Zivilstandsbeamte, Geistliche . . . hat sie getraut?) — de Papp bestid (bə- ‚Sti:t – verheiratet) séng Duechter mat engem räichen Dokter — übtr.: ech weess nët, wuer ech e soll b. (ich kenne ihn, weiß aber seinen Namen nicht); 2) trans. «heiraten, heimführen» — en huet e räicht Meedche bestued (er hat ein reiches Mädchen geheiratet); 3) pass. oder refl. «heiraten, sich verheiraten» — Gebrauch: si si gëschter bestued gin, hu sech gëschter bestued — Spww.: Geschwë bestued huet oft laang geschued (oder: ‚t as ee geschwë bestued, dass et engem laang schued) — Ze liicht bestued, hanneno de Schued — D’Bestueden as e Vullekuerf, déi dra si wäre gär eraus — D’Bestueden as eng Lotterie — Bestued dech, sot de Mann zur Geess, da vergeet der de Geck! — D’Bestuede mécht d’Gecke weis (auch: as e gudden Zonk em den Efalt) — Subal bestued, sonnere Ruet (Esch: «sobald verheiratet, soll man einen eigenen, gesonderten Haushalt führen» — zu Ruet, cf. Ruecht) — ‚t as nach keen aarm bestued gin (s. aarm) — Echt.: Mir gin is bestoaden mat de gölle Moaden (Kinderreim, wobei je zwei Kinder Arm in Arm schreiten) — Fir beschass ze gin, muss ee sech b., fir gelueft ze gin, muss ee stierwen — se gi bestued an däfen zegläich.{/xtypo_sticky}

Im Lexicon der Luxemburger Umgangssprache (LLU) wird das Verb als bestoiden verschriftlicht. Im Wörterbuch der luxemburgischen Mundart (WLM) und im LWB werden zur Herkunft dieses Wortes keine Angaben gemacht. Durchaus eine etymologische Angabe, und zudem in die richtige Richtung, finden wir im Lothringischen Wörterbuch (LotWB). Hier wird das im Lothringischen lautlich und semantisch identische Verb bestueden mit hessisch sich bestatten und schwäbisch bestatte verglichen und zum Substantiv Stätte (locus) gestellt. Das Rheinische Wörterbuch (RhWB) vermerkt dagegen bestaden, bestoden, unter anderem mit den Bedeutungen ‘an einer guten Stelle unterbringen, beerdigen’, ‘heiraten’. Indirekt in die richtige etymologische Richtung weist bereits auch das LLU, zumal unter bestoiden die Bedeutung ‘eine Tochter bestatten, d. i. ausstatten, verheirathen und mit der nöthigen Aussteuer versehen’ angegeben ist. Fest steht somit: Lb. bestueden und nhd. bestatten gehören zusammen. Doch wie lässt sich dieser für den heutigen Sprachgebrauch pikant wirkende Zusammenhang im Detail erklären?

Das Verb lb. bestueden stammt von westmitteldeutsch bestaden und entspricht mhd. bestaten. Unter anderem bedeutete dieses Verb bereits im Mittelhochdeutschen ‘verheiraten, versorgen, ausstatten’ (Lexer). Mhd. bestaten ist eine Verstärkung des einfachen Verbs mhd. staten (vgl. Kluge/Seebold, S. 115). Dieses hat die Grundbedeutung ‘an einen Ort bringen’. Hierbei handelt es sich um eine Rückbildung zum Substantiv mhd. stat f. ‘Stätte, Stelle, Ort’ (Lexer), das in nhd. Stadt, lb. Stad und in nhd. Statt wie in Werkstatt weiterlebt. Das Verb mhd. bestaten begegnet ebenfalls in der neuhochdeutschen Standardsprache, und zwar als bestatten ‘ins Grab legen’ (vgl. Kluge/Seebold, S. 115). Diese spezielle Bedeutung, die bereits in mittelhochdeutscher Zeit nachgewiesen ist, hat ursprünglich einen euphemistischen Hintergrund. Die erst im nhd. angenommene Schreibung bestatten statt bestaten und ferner ausstatten, abstatten, erstatten, gestatten entstand wohl in Analogie an das zu Grunde liegende Substantiv Statt ‘Ort, Stelle’.

Fazit:

{xtypo_info}Dem Verb lb. bestueden entspricht nhd. bestatten. Die gemeinsame Grundbedeutung ist ‘an einem Ort unterbringen’.{/xtypo_info}

Exkurs: Woher kommen Stot und Staat?

Cristian Kollmann

Literatur

DWB = Deutsches Wörterbuch. Von Jacob und Wilhelm Grimm. 16 Bände. Leipzig 1854–1960.

Kluge/Seebold = Kluge, Friedrich / Seebold, Elmar 2002: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 24. Auflage Berlin und New York.

Lexer = Lexer, Matthias 1872–1878: Mittelhochdeutsches Handwörterbuch. 3 Bände. Leipzig. Nachdruck Stuttgart 1970.

LLU = Lexicon der Luxemburger Umgangssprache. Von Jean-François Gangler. Luxemburg 1847.

LotWB = Wörterbuch der deutsch-lothringischen Mundarten. Bearbeitet von Michael Ferdinand Follmann. Leipzig 1909. Nachdruck Hildesheim/New York 1971.

LWB = Luxemburger Wörterbuch. Herausgegeben von der Wörterbuchkommission. 5 Bände. Luxemburg 1950–1975. Ergänzungsband 1977.

Pfeifer = Pfeifer, Wolfgang 2003: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen. 6. Auflage München.

PfWB = Pfälzisches Wörterbuch. Begründet von Ernst Christmann, fortgeführt von Julius Krämer, bearbeitet von Rudolf Post unter Mitarbeit von Josef Schwing und Sigrid Bingenheimer. 6 Bände. Wiesbaden / Stuttgart 1965–1997.

RhWB = Rheinisches Wörterbuch. Herausgegeben von Josef Müller, Heinrich Dittmaier, Rudolf Schützeichel und Mattias Zender. 9 Bände. Bonn / Berlin 1928–1971.

SchwäbWB = Schwäbisches Wörterbuch. Bearbeitet von Hermann Fischer (Band 6 von Wilhelm Pfleiderer). 6 Bände. Tübingen 1904–36.

WLM = Wörterbuch der luxemburgischen Mundart. Luxemburg 1906.