Stot – Staat
Sehen wir uns zunächst den Eintrag dieses Wortes im LWB an:
{xtypo_sticky}Stot (Pl. Stéit, Dim. Stéitchen — Echt. Pl. Stitt, Nösl. Pl. Stikt) M.: 1) «Haushalt» — Spw.: wou kee St. as kee Rot — en ale St. hält alles zu Rot — e klenge, e grousse, e beschwéierte St. — si hun e gudde, kee gudde St. — e jonge St. (s. jonk sub 3) — wat mécht dee jonge St.? (wie geht es den Jungverheirateten? — oft an sie selbst gerichtete Frage) — si hun e sonnere St. — déi Al an déi Jonk sin an engem St. — kuck an däi St.! (kümmere dich um deine Angelegenheiten) — iron.: mir haten haut e rouege St. (ein Ehepartner war verstimmt) — hatt huet dat Stéck mat an de St. bruecht — d’Fra huet genuch Aarbecht fir hire St. an der Riicht (Rei) ze halen — si huet genuch Aarbecht mat hirem St. — d’Fra weess de St. nët ze féieren, weess kee St. ze féieren — engem de St. maachen (den Haushalt führen) — mir hun nëmmen e klenge Stéitchen; 2) «Menge» — e St. Geld (cf. Geldstot) — e St. Mënschen, Kanner — wat e St. Pabeier verschreift (verbraucht) deen! 3) «Terrasse» (Weinberg) — e St. am Wéngert ausman (ausstocken).{/xtypo_sticky}
Das Substantiv Stot von lat. status herzuleiten, bereitet aus semantischer Sicht keine Probleme. Im klassischen Latein bedeutete status ‘das Stehen, Stand, sozialer Stand, fester Bestand, Wohlstand’, im Mittellateinischen auch ‘Hofhaltung, Haushalt, Einkünfte, Rechnungslegung’ (Pfeifer, S. 1337). Im Deutschen erscheint das Lehnwort erstmals im 14. Jh. als stat ‘(sozialer) Stand, (gesellschaftliche) Stellung, Lebensweise, Zustand (auch des Vermögens), Pracht’ (vgl. Pfeifer, a.a.O.; Kluge/Seebold, S. 872).
Doch wo ist nun das Problem aus lautlicher Sicht? Das lange o in Stot weist auf langes a, doch war das a von lat. status kurz und diesem kurzen a würde im Luxemburgischen ein gedehntes a entsprechen (vgl. lb. Glas ‘Glas’ < mhd. glas; lb. Stad ‘Stadt’ < mhd. stat). Ausgehend von frünhd. stat (mit Kurzvokal) wäre somit streng lautgesetzlich lb. *Stat zu erwarten. In der Tat lautet genau so das luxemburgische Wort für ‘Staat im politischen Sinne’, das, wie im Neuhochdeutschen, mit zwei aa geschrieben wird. Doch lb. Staat ist aus semantischen Gründen eine Entlehnung aus der neuhochdeutschen Standardsprache, wenngleich es, rein lautlich betrachtet, auch direkt frühnhd. stat fortsetzen könnte.
Das lange o in Stot ist nicht nur im Luxemburgischen auffällig, sondern wir finden es auch in lothr. Stot ‘Ehe, Haushalt’, ‘Ausstattung’ (LotWb). Daneben existiert aber lothr. Staat ‘Putz, Aufwand’ (LotWb). Sowohl mit o als auch mit a kommt das Wort auch im Rheinischen vor. Mit o hat es, ähnlich wie im Luxemburgischen und Lothringischen, u. a. die Bedeutung ‘Haushalt, Familiengemeinschaft’, während mit den Bedeutungen ‘Aufwand, Prunk, Putz, Kleiderpracht, Schmuck’ und ‘Staat’ das Wort je nach Gebiet mit o oder a gesprochen wird (RhWB). Im Pfälzischen Wörterbuch (PfWB) finden wir dagegen immer langes a: šdād ‘vornehme, schöne (neue) Kleidung, prächtiges Äußeres, Prunk’, ‘Achtung, Ansehen’, ‘Staat’.
Es gilt also festzuhalten: Mit Stot einerseits und Staat andererseits haben wir, sogar innerhalb ein- und derselben Mundart, zwei unterschiedliche Reflexe von lat. status vorliegen. Da das a von status kurz war, sind jene Formen mit langem a wie z. B. pfälz. šdād lautgesetzlich regulär entwickelt. Langes a hätte nämlich im Pfälzischen wie im Luxemburgischen, Lothringischen und Rheinischen langes o ergeben. Bei den Formen mit langem o haben wir dagegen folgendes Problem: Sie müssen aus einer Grundlage stammen, die zum Zeitpunkt der Entlehnung ein langes a hatte, also stât gelautet haben muss.Und dafür gibt es eine Erklärung:
Wie bei allen Lehnwörtern aus dem Griechischen und Lateinischen, die erst ab dem Hochmittelalter ins Deutsche entlehnt wurden, handelt es sich auch bei status um ein Gelehrtenwort. Nun kann davon ausgegangen werden, dass der geschriebene lateinische Begriff status auf zwei unterschiedliche Weisen gelesen bzw. ins Deutsche des Spätmittelalters integriert werden konnte: Einmal „korrekt“ mit kurzem a und einmal, vielleicht „hyperkorrekt“ in Anlehnung an das verwandte Verb lat. stāre, mit langem a. In der Tat ist uns das Wort mit langem a bereits im 14. Jh. überliefert, und zwar in hansischen Urkunden in mittelniederdeutscher Sprache: stât ‘äußere und innere Verfassung, Lage, Umstände, Stand, Klasse, Stellung, Ansehen, Gesamtheit der Vertreter eines Standes, Aufwand’ (Pfeifer, a.a.O.). Die Tatsache, dass für das Mittelniederdeutsche eine Form mit langem a bezeugt ist, heißt nicht zwangsläufig, dass lb. Stot aus dem Niederdeutschen stammt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass, wie das Lothringische und Rheinische zeigen, auf hochdeutschem Gebiet schon früh beide Varianten nebeneinander vorkommen konnten. Reflexe der Variante mit langem a finden wir übrigens auch außerhalb des Fränkischen, z. B. im Schwäbischen: schwäb. Staut ‘Pracht’ (SchwäbWB 5, Sp. 1647–1648), demnach mit au aus langem a wie in schwäb. Strauß ‘Straße’ (SchwäbWB 5, Sp. 1827–1829).
Fazit:
{xtypo_info}1. Das Substantiv lb. Stot, von dem bestueden nicht abgeleitet ist, wurde im 14. Jh. aus lat. status entlehnt. Dabei konnte dieses Gelehrtenwort im Deutschen sowohl mit kurzem a, und, vielleicht in Anlehnung an stāre, mit langem a interpretiert werden. Lb. Stot ist der Reflex auf die Variante mit langem a.{/xtypo_info}
{xtypo_info}2. Das Substantiv lb. Staat ist aufgrund seiner Bedeutung eine jüngere Entlehnung aus der neuhochdeutschen Standardsprache. Rein lautgeschichtlich betrachtet könnte das Wort jedoch auch direkt aus dem Frühneuhochdeutschen stammen und die Variante mit kurzem a fortsetzen.{/xtypo_info}