„mam rietsen A an déi lénks Jhillistäsch kucken“ = ‘schielen’
Laut einschlägigen Wörterbüchern ist die Verbreitung dieses Verbs auf den Luxemburger Raum beschränkt. Das Wörterbuch der Luxemburger Mundarten (WLM) vergleicht barlucken mit einem Adjektiv angelsächsisch bar ‘schief’, dem englischen Verb look und dem französischen Substantiv berlue (ohne dass bei beiden letzteren eine Bedeutung angegeben wird; zu dieser und zur Bedeutung von angelsächs. bar, s. weiter unten). Am ausführlichsten wird das Verb im Luxemburger Wörterbuch (LWB) beschrieben:
barlucken intr. Verb.: «schielen» (cf. frz. reluquer, loucher, wall. loukî, relouquer (Lüttich), erlouquer (Rouchi), cf. auch frz. berlue — dazu Tockert, Rom. Lehnw.: «Eine wall. Form dazu, avoir la berlouque, die ich nicht in Grandgagnage verzeichnet finde, habe ich selbst in der belg. Provinz Lux. gehört») — dafür: mam rietsen A an déi lénks Jhillistäsch kucken
An anderer Stelle werden im LWB die Varianten berlucken, bärlucken sowie die Adjektive barluckeg und luckeg ‘schielend‘ erwähnt. Das RhWB vermerkt neben dem Verb barlucken ebenfalls ein Adjektiv barluckig ‘schielend’ für Bitburg-Geichlingen bzw. maluckig für Bitburg-Ernzen. Schließlich finden wir im LotWB den Eintrag barluckech ‘schielend, blödsichtig’. Hier wird mit Vorsicht eine Herkunft aus griech.-lat. paralyticus erwogen, was jedoch auszuschließen ist.
Zwar klingen nicht nur das Verb engl. look, sondern auch die französischen Wörter sehr ähnlich, doch wie ist der genaue Zusammenhang dieser Begriffe untereinander?
Auf jeden Fall ist barlucken in bar- und -lucken zu zerlegen. Entgegen der Angabe im WLM hatte das Adjektiv angelsächs. bar nicht die Bedeutung ‘schief’, sondern ‘bloß’; entspricht somit engl. bare, nhd. bar und kommt für bar- in barlucken wohl kaum in Frage. Vielmehr erinnert das Lexem bar- an lat. bis- ‘zweimal’, ‘doppelt’. Laut REW setzt sich dieses fort in it. bis-, ber-, frz. bes-, bar-, ba- und „hat neben der ursprünglichen eine leicht verschlechternde Bedeutung angenommen“. Dasselbe Lexem könnte durchaus im Adjektiv lat. bisluscus ‘schielend’ vorkommen, das sich laut REW in it. berlusco mit dem u von luce ‘Licht’ fortsetzt. Dieses Adjektiv könnte somit ursprünglich ‘doppelt schauend’ bedeutet haben. Vielleicht steckt bis- ursprünglich in der Tat auch in frz. berlue ‘vorübergehende Blendung’ und in der Wendung avoir la berlue ‘Gespenster sehen’. Im REW wird für dieses Substantiv ein lateinisches *bislūca ‘Funke’ angesetzt, von dem daselbst u. a. provenzalisch belugar ‘blenden’ hergeleitet wird. Die Grundbedeutung von *bislūca könnte allenfalls ‘doppeltes Licht, Zwielicht’ gewesen sein. Die Lexeme -luscus in bisluscus und -lūca in *bislūca scheinen, auf den ersten Blick zumindest, in irgendeinem urverwandtschaftlichen Zusammenhang mit –lucken zu stehen. Doch bleibt dieser unklar.
Konzentrieren wir uns daher auf -lucken. Als Simplexverb bedeutet lux. lucken ‘schauen, sorgfältig betrachten’, ‘schielen’ (LWB), rhein. lucken ‘scharf hinschauen‘ (RhWB). Dieses Verb stammt am ehesten aus mittelhochdt.(-mittelfränk.) *luocken < althochdt.(-mittelfränk.) *lōkkōn (zu lux. kurzem u aus mhd. uo, vgl. lux. Buch mittelhochdt. < buoch). Bei *lōkkōn handelt es sich um eine wohl erst fränkische Variante mit expressiver Geminierung von *lōkōn < westgerm. *lōkōn ‘schauen, blicken’. Letzteres setzt sich fort in altsächs. lōkon, mittelniederl. loeken und – mit Suffixwechsel – in altengl. lōcian, aus dem neuengl. look stammt. Ein altwestfränkisches *lōkkōn, wohl mit der Bedeutung ‘intensiv oder expressiv schauen’, vielleicht bereits auch ‘schielen’, konnte ins Voraltfranzösische (*loccare) entlehnt werden und altfranz. *louchier > neufranz. loucher ‘schielen’ ergeben. In einer jüngeren Sprachphase des Französischen fand eine zweite Entlehnung statt. In diesem Fall war das Ergebnis erlouquer, relouquer, reluquer und speziell wallon. berlouquer. Die Entlehnungen zeigen Präfigierung mit re- ‘wieder’, ber– ‘zweimal, doppelt’ und er-, das wohl eine Kontamination aus den Präfixen franz. é– (< lat. ex-) und ber- (lat. bis-) darstellt. Die speziell wallonische Variante berlouquer dürfte unter dem Einfluss von frz. berlue ‘vorübergehende Blendung’ und des hiervon abgeleiteten älteren Verbs frz. éberluer ‘verblüffen’ zu Stande gekommen sein. Außerdem entstand noch im Wallonischen die Wendung avoir la berlouque ‘schielen’, wie sie laut Luxemburger Wörterbuch in der Provinz Luxemburg existiert, und zwar wohl nach dem Vorbild von frz. avoir la berlue ‘Gespenster sehen’. Dem u von berlue ist ferner das u als Alternative zu ou in reluquer (gegenüber relouquer) zu verdanken.
Schließlich verdankt lux. barlucken (berlucken, bärlucken) sein Präfix dem wallonischen Verb berlouquer. Eine direkte Entlehnung aus wallon. berlouquer ins Luxemburgische, also gewissermaßen eine Rückentlehnung ins Fränkische, ist eher auszuschließen, weil dann für das Luxemburgische lautgesetzlich *berlocken zu erwarten wäre (vgl. Zucker > Zocker).
{xtypo_info}Ganz vereinfachend in einem Satz zusammengefasst: Das typisch luxemburgische Verb barlucken beinhaltet lat. bis- ‘zweimal’, ‘doppelt’ und althochdt.-mittelfränk. *lōkkōn ‘intensiv oder expressiv schauen’, vielleicht auch ‘schielen’ und hat demnach eigentlich die tautologische Bedeutung ‘zweimal bzw. doppelt intensiv oder expressiv schauen’, ‘zweimal bzw. doppelt schielen’.{/xtypo_info}
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Konzentrieren wir uns daher auf -lucken. Als Einzelverb bedeutet lux. lucken ‘schauen, sorgfältig betrachten’, ‘schielen’ (LWB), ‘scharf hinschauen‘ (RheinWB). Dieses Verb stammt am ehesten von mittelhochdt.(-mittelfränk.) *luocken < althochdt.(-mittelfränk.) *lōkkōn. Dabei handelt es sich um eine wohl erst fränkische Variante mit expressiver Geminierung von *lōkkōn aus westgerm. *lōkōn ‘schauen, blicken’. Letzteres setzt sich fort in altsächs. lōkon, mittelniederl. loeken und – mit Suffixwechsel – in altengl. lōcian, aus dem neuengl. look stammt. Ein altwestfränkisches *lōkkōn, wohl mit der Bedeutung ‘intensiv oder expressiv schauen’, vielleicht bereits auch ‘schielen’, konnte ins Voraltfranzösische (*loccare) entlehnt werden und altfranz. *louchier > neufranz. loucher ‘schielen’ ergeben. In einer jüngeren Sprachphase des Französischen fand eine zweite Entlehnung statt, diesmal auf der Basis von altwestfränk. *lōkkōn oder althochdt.-mittelfränk. *luokkōn. In diesem Fall war das Ergebnis erlouquer, relouquer, reluquer und speziell wallon. berlouquer. Die Entlehnungen zeigen Präfigierung mit re- ‘wieder’, das, unter dem Einfluss von ber-, zu er- umgestellt werden konnte. Die speziell wallonische Variante berlouquer dürfte unter dem Einfluss von frz. berlue ‘vorübergehende Blendung’ und des hiervon abgeleiteten älteren Verbs frz. éberluer ‘verblüffen’ zu Stande gekommen sein. Außerdem entstand noch im Wallonischen die Wendung avoir la berlouque ‘schielen’, wie sie laut Luxemburger Wörterbuch in der Provinz Luxemburg existiert, und zwar wohl nach dem Vorbild von frz. avoir la berlue ‘Gespenster sehen’.