Zu Schreibweise und Auswahl der Belege siehe die allgemeine Anmerkung am Ende des Textes.
Dieses Jahr begann die Apfelernte spät, aber das Warten hat sich gelohnt: Wegen des sonnigen Sommers sind die Äpfel kleiner als gewohnt, dafür aber umso süßer. Niemand muss an de saueren Apel bäissen, zumindest nicht im Wortsinn der Redewendung. Wer in der übertragenen Bedeutung ausdrücken will, dass er lästige Notwendigkeiten zu erledigen hat, kann sich mit dem Genuss der diesjährigen Äpfel seine Aufgaben versüßen. Und was erst begonnen wurde, soll man zügig zu Ende bringen, denn en ugebassten (ugebassenen) Apel hält sech nët, oder anders gesagt: elo as den Apel ugebass(t), elo heescht et en z’iessen.
Äpfel sind hierzulande das am meisten angebaute Tafelobst und gehören gewissermaßen zu den Grundnahrungsmitteln, weswegen man sie für wenig Geld, quasi fir en Apel an e Stéck Brout, überall kaufen kann. Selbst wenn gar nichts mehr in der Haushaltskasse übrig ist, haben die meisten Menschen noch eine Reserve für den Notfall, en Apel fir den Duuscht bzw. en Apel an der Nout. Der Apfel steht für Anspruchslosigkeit, und wer sich nicht viel leisten kann, begnügt sich notgedrungen mit dem Wenigen, das er zur Verfügung hat: Déi kleng Äppel sin déi bescht, wa mer keng déck hun. Bedenkt man, dass kleine Äpfel oft schmackhafter sind als große, kann erzwungene Genügsamkeit sogar belohnt werden.
Idiomatische Redewendungen, in denen Apfel und Apfelbaum versinnbildlicht werden, beziehen sich auch auf Lebensweisheiten, in denen das Verhältnis von Kindern zu ihren Eltern umschrieben wird. Über jemanden, der in seinem Aussehen oder Verhalten seinen Eltern ähnelt, sagt man wéi de Bam sou den Apel oder den Apel rullt (fällt) nët wäit vum Bam. Wenn ein Kind eigene Wege zu gehen beginnt, heißt es: wann den Apel zeideg as, da fällt e vum Bam (in der erweiterten Bedeutung bezieht sich die Redensart auf jedwede andere notwendige Trennung).
Eine negative Metapher ist der faule Apfel, der ungenießbar ist und übel riecht. Bei faulen Äppel as nët vill Wiel heißt es beispielsweise, wenn man zwischen lauter unzumutbaren Möglichkeiten entscheiden muss. Als faul Äppel werden auch lügnerische Ausreden und Ausflüchte bezeichnet, und als verachtenswerte Heuchler gelten diejenigen, die für ihre Lügengeschichten sogar einen falschen Eid zu schwören bereit sind – wie sich in Michel Rodanges Fabel Renert oder de Fuuß am Frack an a Ma’nsgrëßt der Dachs über die angeblich falschen Zeugen des Wolfs beklagt:
Här Kinnek, kuckt de Wollef A kuckt seng Zeien un, Dë fir e faulen Aapel E Wollefseed iech dun!Jutta Schumacher
Typ: |
verschiedene Typen |
Quellen: |
LWB; LOD; Michel Rodange: Renert oder de Fuuß am Frack an a Ma’nsgrëßt, Letzebuurg 1872, S. 14. |
LWB s.v.
Bam 1): […] – Wéi de Bam sou den Apel.
Nout 1): […] – en Apel an der Nout.
LOD s.v. Apel
da bäissen ech alt an de saueren Apel
fir en Apel an e Stéck Brout
en Apel fir den Duuscht hunn
Allgemeine Anmerkung:
In der Rubrik Sproch vum Mount des Projekts DoLPh werden luxemburgische Redewendungen allgemeinverständlich in 400-Wort-Artikeln erklärt. Die Schreibweise der Belege richtet sich nach der jeweiligen Orthographie in den Originaltexten und historischen Wörterbüchern, aus denen sie entnommen sind, und ist nicht an die reformierte neue Rechtschreibung angeglichen. Somit wird der sprachhistorischen Ausrichtung des Projekts Rechnung getragen und verhindert, dass vom Sprachgebrauch in älteren Quellen irrtümlich auf die Verwendung im rezenten Luxemburgischen geschlossen wird.