Zu Schreibweise und Auswahl der Belege siehe die allgemeine Anmerkung am Ende des Textes.

Es gehört zu den Grundregeln guten Benehmens, bei der Aufzählung von Personen den eigenen Namen an letzter Stelle zu nennen. Wer diese Regel missachtet und sich selbst zuerst nennt, gilt als unhöflich und wird gerne mit einem Esel verglichen, denn „der Esel nennt sich immer zuerst.“ Man sagt auch scherzhaft, der Esel mache I-A, weil diese Abkürzung für „I-ch und A-ndere“ stehe, getreu dem Motto: Zuerst komme ich, dann die anderen. Dem Esel wird also nicht nur seine sprichwörtliche Dummheit vorgehalten, sondern auch Wichtigtuerei. Diese Charakterisierung ist bereits aus Tierfabeln bekannt. Etwa aus der Fabel vom Esel in der Löwenhaut, in der sich der Esel mit seiner Verkleidung den Respekt der anderen Tiere verschaffen will. Oder aus der Fabel von Löwe und Esel, in der der Esel den Löwen mit seinem hässlichen Geschrei beeindrucken will.

Was ist aber nun mit einem Menschen los, der von Ech a mäin Iesel spricht? So jemand gilt als ein doppelter Esel – einer, der sich sogar noch vor dem Esel nennt und so überheblich ist, dass er die Menschen um sich herum nicht wahrnimmt. Man könnte über ihn auch sagen: Ech, sot de Geck oder Hei sin ech Määschter (beide in LWB s.v. ech).

Im Luxemburger Wörterbuch finden wir noch mehr Sprachbesonderheiten zum Esel, etwa aus dem Bereich der Justiz: Wéi den Iesel esou de Stréck (die Strafe muß dem Vergehen angepaßt sein) — Deen den Iesel spillt, muss d’Säck droën, daher: Een Iesel vernennt deen anere Säckdréier (wer im Glashaus sitzt, sollte nicht mit Steinen werfen); dem Bildungswesen: Ieselsbréck: 1) „der pythagoräische Lehrsatz“; 2) erweitert: „bekannte geometrische Aufgabe […]“; 3) „(verbotenes) Schülerhilfsbuch, das Lösungen enthält“ bzw. „Übersetzung von fremdsprachlichen Werken als Hilfsmittel für faule Schüler“; Ieselsbänk: „Bank, in der die letzten der Klasse oder die Gestraften sitzen“ — schaff besser, soss kënns d’op d’Ieselsbänk; aus der Kosmetik: den Iesel zéit eraus (die ersten grauen Haare zeigen sich) und der Mode: Ieselshaut (graue Wolljacke).

Der Esel ist auch neben dem Rind das einzige Tier, das es bis in die 10 Gebote geschafft hat (vgl. Dât zengt Gebott, oder Du solls net glöschten!) und wird in der Vorweihnachtszeit von den Kindern herbeigesehnt:

Léiwe Kleeschen, gudde Kleeschen / Breng ons Saachen allerhand /
Fir ze kukken, fir ze schmaachen / Aus dem schéinen Himmelsland /
Bei der Dir do stin ons Telleren / beieneen an enger Rei /
D’läit och Hé do fir däin Iesel / dofir breng ons Spillgezei.

Ane Kleine-Engel, Jutta Schumacher

Typ:
Routineformel
Quelle:
LWB
Lux. Nennform:
Ech a mäin Iesel
Dt. Nennform:
vgl.: Der Esel nennt sich immer zuerst
Bedeutung:
Zurechtweisung von jemandem, der sich an erster Stelle nennt
Varianten:
LWB s.v. ech: ech, sot de Geck

 

LWB s.v.

Iesel: 1) «Esel» — Spww.: […] — En Iesel gebuer(en), en Iesel gestuerwen (ein dummer Mensch bleibt dumm, solang er lebt) […] — Wann et dem Iesel ze wuel as, da geet en op d’Äis danzen (an da brécht en e Been — […] Wéi den Iesel esou de Streech (bisw. auch: Stréck — die Strafe muß dem Vergehen angepaßt sein) — Deen den Iesel spillt, (dee) muss d’Säck droën, daher: Een Iesel vernennt deen aner(e) Säckdréier (wer im Glashaus sitzt, soll nicht mit Steinen werfen) — […]  spaßh.: den Iesel zéit eraus (die ersten grauen Haare zeigen sich […]).

Ieselsbänk: «Bank, in der die letzten der Klasse oder die Gestraften sitzen» — schaff besser, soss kënns d’op d’Ieselsbänk.

Ieselsbréck: 1) «der pythagoräische Lehrsatz»; 2) erweitert: «bekannte geometrische Aufgabe» (so. Wb. 06); 3) «(verbotenes) Schülerhilfsbuch, das Lösungen enthält» — im bes.: «Übersetzung von fremdsprachlichen Werken als Hilfsmittel für faule Schüler», in dieser Bed. auch einfach: Bréck (s. d. sub I/5).

Ieselshaut: «graue Wolljacke».

ieselzeg: «tölpelhaft, dumm» (zu Iesel sub 2), dazu die Abl.: Ieselzegkät, -keet F. (cf. auch Ieselei).

ech (eç) Pers. Pron. 1. Sg.: […] — ech a mäin Iesel auch: ech, sot de Geck (Zurechtweisung für Person, die sich an erster Stelle nennt).

Andere Quellen:

Dât zengt Gebott, oder Du solls net glöschten!  Komescht Spîl an zwe’n Dêler vun Démsèlwegten von T. Kellen. Luxembourg: Linden & Hansen 1928. (27 Seiten)

Léiwe Kleeschen, gudde Kleeschen. Gedicht von Willy Goergen; vertont von Pepy Beicht.

Allgemeine Anmerkung:

In der Rubrik Sproch vum Mount des Projekts DoLPh werden luxemburgische Redewendungen allgemeinverständlich in 400-Wort-Artikeln erklärt. Die Schreibweise der Belege richtet sich nach der jeweiligen Orthographie in den Originaltexten und historischen Wörterbüchern, aus denen sie entnommen sind, und ist nicht an die reformierte neue Rechtschreibung angeglichen. Somit wird der sprachhistorischen Ausrichtung des Projekts Rechnung getragen und verhindert, dass vom Sprachgebrauch in älteren Quellen irrtümlich auf die Verwendung im rezenten Luxemburgischen geschlossen wird.

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