Zu Schreibweise und Auswahl der Belege siehe die allgemeine Anmerkung am Ende des Textes.

Unter den onymischen Phraseologismen – also solchen, die die Funktion von Eigennamen übernehmen – sind Nominalgruppen gebräuchlich, die aus einem adjektivischen Attribut und einem substantivischen Bezugswort bestehen, oft mit voranstehendem bestimmten Artikel. Bei diesen Wortverbindungen kommt es häufig vor, dass das Attribut eine Farbe bezeichnet, so z. B. in Internationalismen wie d’Rout Kräiz, d’Wäisst Haus, de Schwaarzen Doud. Dabei kann sich die genauere Bestimmung durch eine Farbe auf die tatsächliche äußere Erscheinung eines Gegenstands beziehen (d’Wäisst Haus), oder sie kann Abstracta, seltener Konkreta, durch eine affektive Wortbedeutung spezifizieren (de Schwaarzen Doud).

Abgesehen etwa von Benennungen geologischer Erscheinungen wie die Fließgewässer Wäiss Iernz und Schwaarz Iernz oder auch politischer Vereinigungen und Organe, die die farbliche Zuordnung ihrer jeweiligen ideologischen Ausrichtung im Namen tragen, finden wir im Luxemburgischen onymische Phraseologismen mit einem Farbadjektiv vielfach in Bezeichnungen für Objekte der materiellen Kultur. In den meisten Fällen entspricht hier die farbliche Bestimmung auch dem tatsächlichen Erscheinungsbild, beispielsweise bei d’Gëlle Fra, déi Schwaarz Muttergottes an der Kierch vum Stadgronn oder de Schwaarzen an de Roude Kapp (die ersten luxemburgischen Briefmarken von 1852 mit dem Konterfei Wilhelms III. auf schwarzem bzw. rotem Untergrund).

Zweifellos dominierend in luxemburgischen onymischen Phraseologismen mit Farbadjektiv ist die Farbe rot. D’Rout Bréck (offiziell Groussherzogin-Charlotte-Bréck) erhielt ihre volkstümliche Bezeichnung wegen des roten Farbanstrichs. De Roude Pëtz hieß bis zu seinem Abriss 1867 ein Brunnen in Luxemburg-Stadt, der seinen Namen einem turmähnlichen Überbau mit roten Ziegeln verdankte; noch heute wird der Platz, auf dem jetzt der Hämmelsmarsch-Sprangbur steht, Roude Pëtz genannt. D’Rout Geess ist freilich nur aus der festen Phrase (’t ass) d’Seeche vun der Rouder Geess bekannt, mit der eine langatmig erzählte Geschichte als hinfällig abgetan wird, weil sie längst jedem bekannt und uninteressant geworden ist. Die Herkunft dieser schon alten Redewendung ist nicht eindeutig geklärt, geläufig wurde sie durch ein Volkslied, das auf das Gedicht D’Séche fun der rŏder Gêss von Michel Lentz zurückgeht und in dem der Titel als Refrain fungiert. Ein weiteres Tier erhält durch den Beinamen de Rouden Individualität: der Fuchs in Michel Rodanges Fabel Renert oder de Fuuß am Frack an a Ma’nsgrëßt, wobei Rodange den Beinamen aus seiner Vorlage, dem Reineke Fuchs von Johann Wolfgang von Goethe, übernommen hat. Nicht zu vergessen und der prominenteste luxemburgische onymische Phraseologismus schlechthin ist natürlich de Roude Léiw, der als nationales Symbol die Wappen des Großherzogtums, die Luft- und Schifffahrtsflagge sowie die Kokarde ziert.

Jutta Schumacher

 

Typ:
onymischer Phraseologismus
Quellen:
LWB; Wikipedia; Alain Atten: D’Seeche vun der rouder Geess, in ders.: De Sproochmates, Esch-sur-Alzette 2010, S. 8-9; Michel Lentz: D’Séche fun der rŏder Gêss, in ders.: Spâss an Iérscht, Luxembourg 1873, S. 64-66; Michel Rodange: Renert oder de Fuuß am Frack an a Ma’nsgrëßt, Luxembourg 1872.

 

LWB s.v.

Almënster: «Altmünster» […] nach der Zerstörung wurde «Neumünster» mit der aus jener Zeit stammenden Kirche von Stadtgrund am Ufer der Alzette erbaut (die dort befindliche «schwaarz Muttergottes» hatte schon in der Abteikirche von Altmünster gestanden).

Gääss, Geess: […] – ‚t as d’Seeche vun der rouder Geess (die bekannte, langatmige Geschichte).

gëllen, gëlden: […] – gëlle Fra (Kriegerdenkmal in Luxemburg, 1940 von der deutschen Besatzungsmacht zerstört, nach der Befreiung z. T. wieder hergestellt – nach wie vor heißt es: bei der gëller Fra «auf dem Konstitutionsplatz»).

Kapp 4): […] – de schwaarze Kapp (erste lux. Briefmarke von zwei Sous), de roude Kapp (Briefmarke von einem Silbergroschen — Emission 1852, mit dem Kopfbild Wilhelms III, König der Niederlande u. Großh. von Luxbg.).

Léiw: […] – de roude Léiw (als Luxemburger Wappentier).

Pëtz I: […] Öffentliche Pëtzer gab es in vielen Dörfern; in der Festung Luxemburg, z. B. de roude Pëtz, heute noch als Stellenbez. bekannt.

Rouden 2): «Beiname des Fuchses im Renert, Tierepos von M. Rodange».

Wikipedia s.v.

Gëlle Fra

Lëtzebuerger Fändel

Renert oder de Fuuss am Frack an a Maansgréisst

Rout Bréck

Roude Pëtz

Schwaarz Iernz

Schwaarz Muttergottes

Wäiss Iernz

Wope vu Lëtzebuerg

Allgemeine Anmerkung:

In der Rubrik Sproch vum Mount des Projekts DoLPh werden luxemburgische Redewendungen allgemeinverständlich in 400-Wort-Artikeln erklärt. Die Schreibweise der Belege richtet sich nach der jeweiligen Orthographie in den Originaltexten und historischen Wörterbüchern, aus denen sie entnommen sind, und ist nicht an die reformierte neue Rechtschreibung angeglichen. Somit wird der sprachhistorischen Ausrichtung des Projekts Rechnung getragen und verhindert, dass vom Sprachgebrauch in älteren Quellen irrtümlich auf die Verwendung im rezenten Luxemburgischen geschlossen wird.

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