Zu Schreibweise und Auswahl der Belege siehe die allgemeine Anmerkung am Ende des Textes.
Wenn man nach festen Wortverbindungen sucht, in denen Beine vorkommen, stößt man auf eine ausgesprochen große Zahl an Kinegrammen, d. h. phraseologischen Wendungen, die nonverbales Verhalten ausdrücken. Die wenigsten davon beziehen sich auf die ältere Bedeutung des Wortes Bein, ‚Knochen’ bzw. Schank, wie in: et geet engem duurch Muerch a Been. Häufiger sind die Körperteile gemeint, die der Fortbewegung und dem sicheren Stand dienen. Dass beides, Laufen und Stehen, eine zentrale Rolle in unserem Alltagsleben spielt, mag die Vielzahl an Phraseologismen erklären, die sich um die Beine ranken, und dass die meisten von ihnen sowohl Kinegramme als auch Idiome sind, also eine übertragene Bedeutung haben. Wer beispielsweise mam lénkse Been opgestanen ass, wird sich kaum daran erinnern, welches Bein er tatsächlich als erstes aus dem Bett gestreckt hat, er ist einfach schlecht gelaunt.
Geht es um die Fortbewegung, kann man sagen da maach dech op d’Been oder engem Bä maachen, um zur Eile zu drängen (letzteres auch allgemeiner als Aufforderung, zur Tat zu schreiten); man kann d’Been an de Grapp huelen oder d’Been ënnert d’Äärm huelen und de Been et opgin sich hastig auf den Weg machen. Wer allerdings vergesslich ist, muss zusätzliche Wegstrecken zurücklegen, um Liegengelassenes beizuschaffen: Wat een nët am Kapp huet, muss een an de Been hun.
Geht es um die Standfestigkeit, sind rationale Menschen zu nennen, die mat zwee Been am Liewe stinn. Es gibt jedoch auch eine Reihe von Negativ-Beispielen, die gerade einen Mangel an Stabilität beschreiben und gesundheitliche Angeschlagenheit ausdrücken. Wer sagt ech hale mech op de Been, ech fale bal vun de Been oder d’Bee wöllen nët méi, gehört ins Bett, um sich gründlich auszukurieren. Die Feststellung dat schléit engem an d’Been bezieht sich häufig auf eine böse Überraschung oder Schreckensnachricht, wegen der man psychisch wie physisch aus dem Gleichgewicht gerät, oder aber auf übertriebenen Alkoholgenuss, der einen ebenso zu Fall bringen kann. Überhaupt gibt es viele Kinegramme um die Beine, die mit dem Konsum von Alkohol und seinen Folgen zu tun haben, etwa: en huet eng an de (am) Been, e buschtawéiert mat de Been oder e verwiesselt d’Been. Das mag nicht verwundern, gehören doch der torkelnde Gang und der wacklige Stand zu den auffälligsten Symptomen für Trunkenheit. Ironischerweise ist es ausgerechnet die Standfestigkeit, die gerne als Begründung dafür herhalten muss, dass man nach dem ersten Glas noch mindestens ein weiteres trinken muss, denn: ’t kann een nët op engem Bee stoen.
Jutta Schumacher
Typ: |
Kinegramm, Idiom |
Quellen: |
LWB; Wolter, Laure: 5000 Riedensaarten, Ausdréck a Vergläicher, Lëtzebuerg 1996. |
LWB s.v.
Grapp 1): […] dann huel den Hënner (d’Been) an de Grapp a laf! (mache dich aus dem Staube).
Wolter, Laure: 5000 Riedensaarten, Ausdréck a Vergläicher, Lëtzebuerg 1996, s.v. Been, S. 18/19
engem Bee man: ee verdreiwen; een undreiwen
de Been et opgin: séier lafen
mam lénkse Been opgestane sin: schlecht gelaunt sin
maach dech op d’Been! (tommel dech)
e geet mat de Bee buschtawéieren: en as voll; säi Marsch as tierkeleg
d’Been ënnert d’Äärm huelen: séier fortlafen
mat zwee Been am Liewe stoen: praktesch a realistesch denken an handelen
’t as mer an d’Bee geschloen: vu Schreck, vun Ustrengung
Allgemeine Anmerkung:
In der Rubrik Sproch vum Mount des Projekts DoLPh werden luxemburgische Redewendungen allgemeinverständlich in 400-Wort-Artikeln erklärt. Die Schreibweise der Belege richtet sich nach der jeweiligen Orthographie in den Originaltexten und historischen Wörterbüchern, aus denen sie entnommen sind, und ist nicht an die reformierte neue Rechtschreibung angeglichen. Somit wird der sprachhistorischen Ausrichtung des Projekts Rechnung getragen und verhindert, dass vom Sprachgebrauch in älteren Quellen irrtümlich auf die Verwendung im rezenten Luxemburgischen geschlossen wird.