Zu Schreibweise und Auswahl der Belege siehe die allgemeine Anmerkung am Ende des Textes.

Wenn man wieder einmal so richtig genervt ist und seinem Ärger verbal Ausdruck verleihen möchte, kann man hierfür aus einem ganzen Fundus an phraseologischen Wortverbindungen schöpfen. Eine ganz spezielle grammatische Konstruktion ist dabei in besonders vielen Varianten vertreten: dat geet mer op d(e) … bzw. in der Nennform: op d(e) … goen. Grammatisches Subjekt kann auch eine Person sein (du gees mer op d(e) …). Je nachdem, welches Akkusativobjekt in die Konstruktion eingefügt wird, unterscheiden sich die Wendungen auch hinsichtlich ihrer Bildlichkeit und ihres sprachlichen Registers.

Dat geet mer op d’Nerven und Dat geet mer op de Geescht sind nur schwach idiomatisch, bedenkt man, dass sich Ärger und Unannehmlichkeiten tatsächlich auf die Nerven oder den Geisteszustand eines Menschen auswirken können. Anders verhält es sich mit Wendungen, in denen gewisse Fußbekleidungen im übertragenen Sinn für überreizte Nerven stehen. Wer beklagt, ihm gehe etwas op d’Schlappen oder op d’Strëmp, der meint damit natürlich nicht seine Hausschuhe oder Strümpfe. Fast möchte man meinen, dem Luxemburgischen sei im Zusammenhang mit dieser Konstruktion eine gewisse Fußbekleidungsfixiertheit eigen; denn zum Vergleich: Im Deutschen ist die Konstruktion zwar ähnlich produktiv, hier gibt es jedoch keine einzige Variante mit Schuhen oder Strümpfen. Und im Französischen existiert die Konstruktion in dieser Form gar nicht erst, am nächsten kommen ihr die Ausdrücke taper sur les nerfs de qn und taper sur le système de qn, womit auf das système nerveux angespielt ist. Weitere luxemburgische Varianten mit hoher Idiomatizität sind Dat geet mer op de Kéis oder, in einer vulgären Variante, op de Sak. Über die Hintergründe der Entstehung und Etablierung von idiomatischen Abwandlungen dieser Wortverbindung kann leider nur spekuliert werden. Denn ob die Verwendung eines möglichst unpassenden Bildes die Äußerung verharmlost, ironisiert oder intensiviert, kommt ganz auf die Intonation und den individuellen, situationsbezogenen Sprachgebrauch an.

Eine bemerkenswerte Variante unserer Konstruktion ist die Wendung Dat geet mer op de Su. Intuitiv assoziiert man mit dem Wörtchen „Su“ den Gallizismus sou – also die Bezeichnung einer ehemaligen französischen Geldmünze. So glaubt man womöglich zu verstehen, dass jemand, dem etwas op de Su geet, am neuralgischsten Punkt eines modernen Menschen getroffen ist, nämlich im Herzen seines Portemonnaies. Doch das Luxemburger Wörterbuch erklärt die Herkunft dieser Wendung unter dem Eintrag Su 3) ganz anders. Hier finden wir die Bedeutung „Hintere“ – zu Hochdeutsch also das Gesäß. Leider tappen wir bezüglich der Entstehung dieser Variante noch im Dunkeln … wenn auch zum Glück nicht auf irgendjemandes Nerven.

Jutta Schumacher

Typ:
feste Phrase, Idiom
Quellen:
LWB, LOD
Lux. Nennform:
op de Su goen
Bedeutung:
auf die Nerven gehen, die Nerven strapazieren
Varianten:
Dat geet mer op de Geescht / de Kéis / d’Nerven / d’Schlappen / d’Strëmp.

 

LWB s.v.

Nerv 1): […] – du gees mer op d’Nerwen (bringst mich in Wut).

Schlapp II 1) a.: dat geet mer esou op d’Schlappen (ärgert mich).

Strëmp: […] – Neol.: du gees mer (dat geet mer) ferrem (fatzeg) op d’Strëmp (auf die Nerven).

Su 3): «Hintere» […] – du gees mer (faméis, ellen) op de Su (auf die Nerven) – cf. Aasch sub 1).

LOD s.v.

Geescht 2.: du gees mer op de Geescht! [du nervs mech !]

Kéis 1.: du gees mir op de Kéis! [du nervs mech !]

Sak 3.: du gees mer ferm op de Sak! [du nervs mech ferm !]

Su: du gees mer op de Su! [du nervs mech !]

Allgemeine Anmerkung:

In der Rubrik Sproch vum Mount des Projekts DoLPh werden luxemburgische Redewendungen allgemeinverständlich in 400-Wort-Artikeln erklärt. Die Schreibweise der Belege richtet sich nach der jeweiligen Orthographie in den Originaltexten und historischen Wörterbüchern, aus denen sie entnommen sind, und ist nicht an die reformierte neue Rechtschreibung angeglichen. Somit wird der sprachhistorischen Ausrichtung des Projekts Rechnung getragen und verhindert, dass vom Sprachgebrauch in älteren Quellen irrtümlich auf die Verwendung im rezenten Luxemburgischen geschlossen wird.

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