Zu Schreibweise und Auswahl der Belege siehe die allgemeine Anmerkung am Ende des Textes.
Nein, man muss kein reicher Herrscher sein, um Schlösser in Spanien zu bauen. Man braucht hierfür nur etwas Fantasie und eine gehörige Portion Weltfremdheit. Die Redewendung besagt nämlich, dass man unrealisierbare Pläne verfolgt und sich Träumen hingibt, die niemals wahr werden können. In fast allen europäischen Sprachen bauen Träumer ihre Schlösser nicht in Spanien, sondern in der Luft – Luftschlösser also. Im Französischen sind es stattdessen „châteaux en Espagne“, die man bauen (bâtir, construire), machen (faire) oder kaufen (acheter) kann. Aus dem Französischen wurde der Ausdruck als phraseologische Lehnübersetzung ins Luxemburgische übernommen, wo beides belegt ist: Schlässer an d’Loft und Schlässer a Spuenjen.
Die Metapher „châteaux en Espagne“ taucht erstmals im 13. Jh. im Roman de la Rose von Guillaume de Lorris auf und umschreibt dort die Zukunftsvisionen eines unglücklich Verliebten. Seit dem 16. Jh. ist die Redewendung im Französischen sehr geläufig, wobei „château“ sowohl Schloss als auch Burg bedeutet. Spanien diente nicht so sehr als Symbol für einen fantastischen, als vielmehr für einen besonders unsicheren, gefährlichen Ort. Damals versuchte man, die Herkunft des Ausdrucks aus der spanischen Geschichte herzuleiten: Der Jurist und Literat Étienne Pasquier (1529-1615) beispielsweise erklärt ihn damit, dass es zur Zeit der Reconquista in Spanien keine Burgen auf dem Lande gab, in die sich die Mauren angesichts der christlichen Invasion hätten flüchten können. Der Grammatiker und Etymologe Fleury de Bellingen (17. Jh.) verweist auf den römischen Konsul Cécilius Metellus, der im 2. Jh. v. Chr. die Einwohner der Balearen unterwarf, indem er zahlreiche Burgen erbaute und so von den Überraschungsangriffen seiner Armee ablenkte.
Heute sieht man den Ursprung der Redewendung in der französischen Literatur begründet. Denn Spanien war bereits im Mittelalter und bis ins 19. Jh. ein beliebter Schauplatz für aufregende Abenteuerromane, Heldenepen und Reiseberichte – ein geheimnisvolles fremdes Land, in dem man sich kaum zurechtfinden konnte und in dem große Gefahren lauerten. Diese Erklärung macht es auch nachvollziehbar, dass schließlich, wenn es der Reim erforderte, auch andere ferne Länder in dieser Wendung auftauchen konnten, wie etwa in „faire des châteaux en Asie“ oder „faire des châteaux en Albanie“. In der modernen globalisierten Welt können wir uns kaum mehr einen Ort vorstellen, der so fremdartig ist, dass er sich als Bühne für unsere Tagträumereien eignet. Das beliebte Urlaubsland Spanien zumindest ist viel zu bekannt, und es ist viel zu realistisch, dort wirklich eine Immobilie zu erwerben. Die tollsten und prächtigsten Schlösser baut man vielleicht tatsächlich in der Luft.
Jutta Schumacher
Typ: |
Idiom |
Quelle: |
LWB |
Lux. Nennform: |
Schlässer a Spuenjen |
Dt. Nennform: |
vgl.: Luftschlösser bauen |
Bedeutung: |
unrealisierbare Pläne verfolgen |
Varianten: |
LWB s.v. Schlass: e Schlass (gëlle Schlässer) an d’Loft bauen |
LWB s.v.
Spuenjen: «Spanien» — en huet Schlässer a Spuenjen gebaut (Luftschlösser).
Allgemeine Anmerkung:
In der Rubrik Sproch vum Mount des Projekts DoLPh werden luxemburgische Redewendungen allgemeinverständlich in 400-Wort-Artikeln erklärt. Die Schreibweise der Belege richtet sich nach der jeweiligen Orthographie in den Originaltexten und historischen Wörterbüchern, aus denen sie entnommen sind, und ist nicht an die reformierte neue Rechtschreibung angeglichen. Somit wird der sprachhistorischen Ausrichtung des Projekts Rechnung getragen und verhindert, dass vom Sprachgebrauch in älteren Quellen irrtümlich auf die Verwendung im rezenten Luxemburgischen geschlossen wird.